Psychische Störungen & Entwicklungsverzögerungen bei Kindern -und Jugendlichen
Psychische Beschwerden und Entwicklungsverzögerungen bei Kindern- und Jugendlichen sind weiter verbreitet als in der Öffentlichkeit angenommen wird. In diesem Artikel können Sie sich in das Thema einlesen.
Wichtig: Selbstdiagnosen können zu einer falschen Behandlung führen. TherapuetInnen und ÄrztInnen verfügen über die notwendige Ausbildung und Erfahrung, um Krankheiten zu diagnostizieren und zu behandeln. Daher im Vorhinein IMMER einen/eine entsprechende/n ExpertIn konsultieren!
Inhaltsverzeichnis
Psychische Krankheitsbilder bei Kindern- und Jugendlichen
Umschriebene Entwicklungsstörungen
Umschriebene Entwicklungsstörungen (UES) sind Beeinträchtigungen in bestimmten Bereichen, die bereits in der frühen Entwicklung auftreten.
Besonderheiten:
- Isoliert: Die Beeinträchtigung beschränkt sich auf einen Bereich, während andere Bereiche normal entwickelt sind.
- Intelligenz: Die allgemeine Intelligenz ist nicht betroffen.
Arten von UES
- Sprachverständnis
- Sprachproduktion
- Sprechmotorik
- Lese- und Rechtschreibstörung (LRS)
- Rechenstörung (Dyskalkulie)
- Grobmotorik (z.B. Koordination)
- Feinmotorik (z.B. Geschicklichkeit)
Störungen des Sozialverhaltens
Störungen des Sozialverhaltens beschreiben ein Muster von dissozialem, aggressivem oder aufsässigem Verhalten.
- Dieses Muster ist wiederholt und/oder andauernd.
- Es kann zu erheblichen Beeinträchtigungen in der sozialen Interaktion und im Alltag führen.
Emotionale Störungen des Kindesalters
Die emotionalen Störungen des Kindesalters umfassen vorwiegend Angststörungen, die im Kindesalter auftreten. Im Kern handelt es sich bei diesen Störungen um übermäßig ausgeprägte normale Entwicklungstrends.
Hauptmerkmal: Übermäßige Angst vor Trennung von wichtigen Bezugspersonen
Symptome:
- Klammern an Bezugspersonen
- Verweigerung, allein zu bleiben
- Alpträume und Schlafstörungen
- Angst vor Schule oder Kindergarten
- Somatische Beschwerden wie Bauchschmerzen oder Kopfschmerzen
Hauptmerkmal: Anhaltende und übermäßige Angst vor bestimmten Objekten oder Situationen
Typische Phobien:
- Tierphobien (z.B. Spinnen, Hunde)
- Naturphobien (z.B. Gewitter, Höhe)
- Blut-Spritzen-Verletzungs-Phobie
- Situative Phobien (z.B. Schule, geschlossene Räume)
Hauptmerkmal: Ausgeprägte Angst vor sozialen Situationen und Interaktionen
Symptome:
- Vermeidung von neuen Situationen und Menschen
- Schüchternheit und Zurückhaltung
- Angst vor Versagen und Blamage
Hauptmerkmal: Exzessive Eifersucht und Konflikte zwischen Geschwistern
Symptome:
- Streitigkeiten und Aggressionen
- Verbale und körperliche Attacken
- Scham- und Schuldgefühle
- Depressive Verstimmungen
Ergänzende Krankheitsbilder
ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung)
ADHS ist eine neurologische Entwicklungsstörung, die vermutlich genetisch bedingt ist.
Typische Merkmale von ADHS sind:
- Unaufmerksamkeit: Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren, Aufgaben zu erledigen und Anweisungen zu befolgen.
- Hyperaktivität: Rastlosigkeit, Zappeln, übermäßiges Reden und Herumlaufen.
- Impulsivität: Schwierigkeiten, abzuwarten, Entscheidungen zu überdenken und Handlungen zu kontrollieren.
Depressionen
Depressionen sind nicht nur eine „Erwachsenen-Krankheit“. Auch Kinder und Jugendliche können an einer Depression leiden.
Typische Anzeichen einer Depression sind:
- Anhaltende Traurigkeit
- Antriebs- und Interesselosigkeit
- Sozialer Rückzug
Essstörungen
Magersucht (Anorexia nervosa):
- Kennzeichen: Krankhaftes Verlangen nach ständiger Gewichtsabnahme
- Symptome: starkes Untergewicht, Verweigerung von Nahrungsaufnahme, verzerrtes Körperbild, Angst vor Gewichtszunahme
Bulimie (Ess-Brech-Sucht):
- Kennzeichen: Wiederkehrende Essanfälle, gefolgt von selbst herbeigeführtem Erbrechen
- Symptome: Normalgewicht oder Übergewicht, Schamgefühl, Depressionen, Angst vor Gewichtszunahme
Binge Eating (Esssucht):
- Kennzeichen: Wiederkehrende Essattacken ohne kompensatorisches Verhalten (z.B. Erbrechen)
- Symptome: Übergewicht, Schamgefühl, Depressionen, Vermeidung sozialer Situationen
Risiko-Faktoren
Ein Risikofaktor ist ein Merkmal oder eine Eigenschaft, die bei einer Personengruppe die Wahrscheinlichkeit erhöht, an einer bestimmten Störung zu erkranken. Im Vergleich zu einer Gruppe ohne diesen Risikofaktor (unbelastete Kontrollgruppe) ist das Risiko für die betroffene Personengruppe also deutlich größer.
Es gibt verschiedene Arten von Risikofaktoren, die die Wahrscheinlichkeit erhöhen können, dass ein Mensch Probleme entwickelt.
- Individuelle Risiken (biologische, genetische, erworbene biologische (durch z.B.: eine Verletzung) und ökologische Risiken (z.B.: durch Umweltverschmutzungen))
- Psychologische Risiken (Impulsivität, Persönlichkeitsmerkmale, etc.)
- Psychosoziale Risiken (Psychische Störung eines Elternteils, Delinquenz, finanzielle Probleme, Migration, Streitbeziehungen in der Familie; Stressoren im weiteren Sinne)
Pubertät
Die Pubertät ist eine Zeit großer Veränderungen, sowohl körperlich als auch psychisch. In dieser vulnerablen Phase kann es zu einem Missverhältnis zwischen der körperlichen und der psychischen Reife kommen. Dieses Missverhältnis, auch bekannt als „Maturation Mismatch Theory“, kann zu einer Reihe von Herausforderungen führen, die das Risiko für die Entwicklung von psychischen Problemen erhöhen.
Familiäre Einflüsse
Familiäre Einflüsse spielen eine wichtige Rolle bei der Entstehung von psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen.
Erziehungsstil:
- Inkonsequentes Verhalten der Eltern kann zu Delinquenz (Verstöße gegen das Gesetz) beim Kind führen.
- Überprotektion und elterliche Einmischung können emotionale Störungen wie Trennungsangst begünstigen.
Konflikte und Belastungen der Eltern können einen besonders großen Einfluss auf die psychische Gesundheit des Kindes oder Jugendlichen ausüben.
Psychische oder soziale Auffälligkeiten eines Elternteils, wie z.B. mütterliche Depression, können die kognitive (geistige) und sozial-emotionale Entwicklung des Kindes negativ beeinflussen.
Schulsystem und Leistungsdruck
Der hohe Leistungsanspruch in der Schule kann eine erhebliche Belastung für Kinder und Jugendliche darstellen und als Risikofaktor für psychische Probleme wie Burn-out gelten.
Der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) und die Gymnasialeltern Bayern e. V. warnen in einer gemeinsamen Erklärung vor den negativen Auswirkungen von:
- Lehrplandruck
- Prüfungsdichte
- Hohen Anforderungen
- Ständiger Leistungsbewertung durch Prüfungen
Diese Faktoren können die mentale Gesundheit von Schülern stark beeinträchtigen und zu Symptomen wie:
- Erschöpfung
- Angst
- Depression
- Schlafstörungen
- Konzentrationsschwierigkeiten führen.
Internetnutzung
Die Rolle der Medien und sozialen Netzwerke in unserer Gesellschaft ist viel diskutiert. Neben positiven Aspekten wie Information und Bildung werden auch negative Einflüsse auf das Körperbild und Selbstwertgefühl, insbesondere junger Menschen, genannt.
Ursachen dafür sind:
- Vergleich mit unrealistischen Körperbildern
- Gefühl des ständigen Drucks, perfekt sein zu müssen
- Soziale Isolation und Mobbing in Online-Communitys
Seelische Probleme bei Kindern- und Jugendlichen: Anzeichen erkennen und Hilfe suchen
Psychische Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen sind oft schwer zu erkennen, da sie sich hauptsächlich im Inneren abspielen und zunächst das Denken und Fühlen beeinflussen, bevor sie Auswirkungen auf das Verhalten haben.
Entwicklungsbedingte Verhaltensweisen in der Kindheit und Jugend erschweren die Identifizierung zusätzlich. Wutanfälle in der frühen Kindheit oder Stimmungsschwankungen in der Pubertät können normal sein.
Es gibt jedoch einige Symptome, die auf eine seelische Erkrankung hindeuten können und sofortiges Handeln erfordern:
- Starke Angst
- Lang anhaltende Traurigkeit
- Innere Unruhe
- Konzentrationsprobleme
- Psychosomatische Symptome wie Kopfschmerzen oder Magen-Darm-Beschwerden
Eltern, Lehrer und andere Bezugspersonen sollten aufmerksam sein und bei Verdacht auf eine seelische Erkrankung professionelle Hilfe suchen, auch wenn das Kind oder der Jugendliche dies ablehnt.
Wichtig:
- Zögern Sie nicht, einen Arzt oder Psychologen zu konsultieren.
- Je früher eine seelische Erkrankung erkannt wird, desto besser sind die Behandlungschancen.
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